Projektleitung: Johannes F.M. Schick
gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Das Projekt »Kultur, Praxis, Technik: Zur Grundlegung der internationalen Technikanthropologie in der Durkheimschule« hat zum Ziel, Technikphilosophie und Anthropologie auf der Grundlage einer wissenschaftshistorischen Analyse systematisch aufeinander zu beziehen. Das philosophiehistorische Anliegen der Rekonstruktion der Genese und Entwicklung des Kategorienprojekts der Durkheimschule und deren Wirkung auf die europäische Geistesgeschichte wird mit dem systematisch-epistemologischen Interesse daran, wie gesellschaftliche, technische und semantische Formationen das Denken prägen, verbunden. Dabei konzentriere ich mich auf den inhärenten Zusammenhang von Epistemologie, Techniktheorie und Anthropologie, wie er in der Durkheimschule entwickelt, in der Ausbildung der Wissenschaftsformationen im 20. Jahrhundert systematisiert und in den neueren Science and Technology Studies (STS) radikalisiert wurde.
Das Forschungsvorhaben wird sich der longue durée der Symmetrisierung vermeintlich »primitiver« und moderner Gesellschaften, des Analogen und des Digitalen, des Sozialen und der Natur sowie des Menschen und der technischen Objekte widmen. Die Frage nach der Genese der Kategorien des menschlichen Verstandes betrifft sowohl das soziale Zusammenleben als auch das Technische. Techniken, seien sie rein körperlich, mechanisch oder digital, bestimmen mit, wie Kategorien erfahren und gestaltet werden. Die räumlichen und zeitlichen Erfahrungshorizonte des Menschen haben auch aufgrund technischer Veränderungen in den letzten 100 Jahren grundlegende Transformationen erfahren – man denke nur an die Entwicklung des smartphones.
Die grundlegende Einsicht der Durkheimiens bleibt von systematischer Bedeutung: Die technische Tätigkeit ist gleichzeitig auch eine klassifikatorische, d.h. eine soziale Einteilung, die sich in den konkreten Praktiken des Menschseins äußert. Die gegenseitige Durchdringung von Epistemologie, Anthropologie und Technologie ist das wesentliche Merkmal des Kategorienprojekts der Durkheimschule und liefert einen wichtigen Beitrag für die aktuelle Technikphilosophie. Zudem setzt sich die Wirkung des Kategorienprojekts in der Epistemologie von der Rationalitätsdebatte der 1960er und 1970er Jahre bis in gegenwärtige Ansätze der Science and Technology Studies und der Akteur-Netzwerk-Theorie fort. Das Kategorienprojekt wird folglich als philosophisches Vorhaben wiederentdeckt.